Atemlose Momente und beeindruckende Begegnungen

Worte des Abschieds von Propst Dr. Klaus-Volker Schütz

Propst Dr. Klaus-Volker Schütz 2016 (Fotograf Thomas Neu)

Nach zweiundzwanzig Jahren als Propst für Rheinhessen und das Nassauer Land, verabschiede ich mich in diesen Tagen von vielen Menschen, Einrichtungen, Stiftungsräten, Dekanaten, Kirchengemeinden, Kolleginnen und Kollegen. Am 1. April des Jahres 2000 habe ich meinen Dienst begonnen, dreimal wurde ich von der Kirchensynode wiedergewählt.

Jahre, die von Umbrüchen geprägt waren

Hinter mir liegen Jahre, die von Umbrüchen geprägt waren. Grundordnungen der Landeskirche wurden revidiert, voran die Kirchen- und Lebensordnung, weil man sie als nicht mehr zeitgemäß empfand. Ein Highlight war für mich die Debatte der Kirchensynode um die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, wie sie 2013 an einem Samstag in Darmstadt zum Abschluss kam. Für mich war dieses jahrelange Ringen das Glanzstück einer synodal verfassten Kirche, die sich jenseits eines kirchenleitenden Lehramts um den rechten geistlichen Weg bemüht.

Mit Buß- und Bettagsgottesdiensten aktuelle Themen aufgegriffen

Wenn man die Aufgabe übernimmt, Propst für eine Region zu sein, lernt man immer wieder interessante Menschen kennen, mit denen man theologische, ethische und gesellschaftspolitische Themen diskutieren kann. So haben wir uns in Gottesdiensten zum Buß- und Bettag für das Bundesland Rheinland-Pfalz aktuellen Themen gewidmet: 2005 – Vom Sinn der Feiertage mit Kirchenpräsident Steinacker, 2007 – Sieg und Niederlage im Leben mit Jürgen Klopp, 2008 – Forever young – Leben und Arbeiten in einer alternden Gesellschaft mit Heiner Geißler, 2013 – Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum mit Karl Kardinal Lehmann und Kirchenpräsident Volker Jung, 2015 – Martin Luther  und die Juden – die dunkle Seite der Reformation mit dem Mainzer Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky.

Ein Highlight: Die Einweihung der neuen Synagoge in Mainz

Über die Jahre hat sich zur jüdischen Gemeinde in Mainz ein sehr guter Kontakt entwickelt. Regelmäßig habe ich zu Rosch ha-Schana, dem jüdischen Neujahrsfest, oder zu Pessach einen Gruß im Gemeindebrief geschrieben. Es war für mich ein besonderes Erlebnis, im November 2008 bei der Grundsteinlegung der neuen Synagoge dabei zu sein und noch mehr, die Einweihung 2010 mitzuerleben, zu der Stella Schindler-Siegreich, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, neben dem Bundespräsidenten und dem Botschafter des Landes Israel Zeitzeugen und vor allem natürlich Gemeindeglieder eingeladen hatte.

Beeindruckend: die Persönlichkeit Karl Kardinal Lehmanns
Von Anfang meines Dienstes an hatte ich ein gutes Verhältnis zu Karl Kardinal Lehmann. Wir haben uns immer wieder einmal gesehen, Dinge besprochen und gemeinsam gestaltet im Zusammenhang der ökumenischen Aufgaben vor Ort, vor allem im Bereich der Hospizarbeit in Mainz. Kardinal Lehmann war für mich eine beeindruckende Persönlichkeit, tief verwurzelt in der abendländischen Theologie und ein menschenfreundlicher Gesprächspartner, der am anderen interessiert war und der sich immer um Augenhöhe bemühte. Es war für mich außerordentlich bewegend, als das Mainzer Domkapitel anrief, um zu fragen, ob ich nicht als Liturg das Requiem mitfeiern wolle, als der verstorbene Kardinal 2018 in der Augustinerkirche aufgebahrt war.

Miteinander die Luft der Theologie als Wissenschaft geatmet

In der Pfarrerfortbildung habe ich die Familienpastoralkollegs der EKHN neu entwickelt und regelmäßig Studienreisen für Kolleginnen und Kollegen angeboten, die uns bis nach Nord-Sulawesi/Indonesien („Evangelisch am anderen Ende der Welt“) und Indien geführt haben („Empowerment …! Einblick in Projekte der Entwicklungszusammenarbeit“). Mir lag viel daran, dass Pfarrerinnen und Pfarrer nicht in den Turbulenzen ihrer Alltagspraxis stecken bleiben und dass immer einmal wieder miteinander die Luft der Theologie als Wissenschaft geatmet werden kann. Zudem habe ich mich darum bemüht, geistliches Leben und spirituelle Praxis wiederzugewinnen. Schweigeexerzitien, Meditation, Psalmensingen und Kontemplation sind essentiell, weil sie uns darauf ausrichten, was uns Quelle und Mitte ist. Haupt- und Ehrenamtliche brauchen das. Unsere Kirche fordert viel von allen, die mittun.  Das Tempo, das wir vielerorts einschlagen, ist hoch. Die Kirche hat aber nicht nur anderen das Heil zu verkündigen, sondern muss auch selbst Lebensraum des Evangeliums sein, der froh- und freimachenden Botschaft im Sinn von Kontakt, Beziehung, Entlastung und innerer Entwicklung. 

Besondere, ja sogar atemlose Momente

So endet für mich ein großer Bogen in diesen Tagen, bei dem ich noch vieles nennen könnte, was besonders war – das Reformationsjubiläum 2017 zum Beispiel, der Rheinland-Pfalz-Tag in Alzey, oder der atemlose Moment, als im wiederentdeckten Dom St. Johannis zu Mainz der tausend Jahre alte Sarkophag des Erzbischofs Erkanbald geöffnet wurde und wir sagen konnten: Er ist es tatsächlich! Nun ist Mainz eine Stadt, die zwei Dome hat.

Pfarrerinnen und Pfarrer der nächsten Generation mit Stellen versorgt
Die Basis in allem war für mich aber immer die Arbeit mit den Kirchengemeinden vor Ort, mich um Bilanzierungen und Stellenbesetzungen zu kümmern, Dienste und Einrichtungen zu visitieren, und die Pfarrerinnen und Pfarrer der nächsten Generation mit Stellen zu versorgen.

Dank für Anregungen, Aufmunterung, Kritik und manches gute Wort
Am 16. September 2022 werde ich in der Katharinenkirche in Oppenheim in den Ruhestand verabschiedet und meine Nachfolgerin, Pfarrerin Henriette Crüwell, wird in ihr Amt eingeführt. Ich bin Gott dankbar für die Zeit, die ich hatte. Sie war befriedigend und herausfordernd für mich. Begegnungen und Aufgaben haben mein Leben bereichert, oft aber auch in einem hohen Tempo gehalten. Ich habe sehr viel Unterstützung erlebt, durch Haupt- und Ehrenamtliche, durch die Dekaninnen und Dekane der Region sowie durch die Vorsitzenden der Dekanatssynodalvorstände. Für intensive Gespräche habe ich zu danken, für Anregungen, Aufmunterung, Kritik und für so manches gute Wort.

Was immer wir auch tun ­­–­ in allem sollte Gott zur Ehre kommen

Weil alles nie abgeschlossen ist, ist von uns immer neuer Aufbruch verlangt. Für mich der Aufbruch in den Ruhestand, in dem ich einen neuen Rhythmus finden darf – für die Gemeinden und Dekanate im Propsteibereich in eine herausfordernde Zeit, in der viel Kooperation entwickelt werden muss. Was immer wir auch tun – in allem soll Gott zur Ehre kommen, damit wir neues Land gewinnen und es voran geht mit uns. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, aber die zukünftige suchen wir“, sagt der Hebräerbrief. Alte Geschichten werden zu erzählen und neue zu schreiben sein. Glaube heißt, in dieser Sehnsucht zu bleiben und zu wissen: Gott geht mit.

Mit herzlichem Gruß

Ihr Klaus-Volker Schütz

Die Prädikantenausbildung oder „wie lerne ich Gottesdienst?“

Mein Name ist Karin Bitz und ich gestalte gerne alternative Gottesdienste. Das mache ich schon ganz lange. Angefangen hat es direkt nach der Konfirmation. Wir haben uns im Jugendraum in Nackenheim getroffen und mit dem Jugendpfleger allerhand Blödsinn angestellt. Dann kam die Idee einen eigenen Gottesdienst zu gestalten. Also nahm ich meine Gitarre, setzte mich auf die Stufen vor dem Altar und wir haben neue Kirchenlieder gesungen.

Heute leite ich den Liturgiekreis der 3 Welzbachtal-Gemeinden Appenheim, Nieder- und Ober-Hilbersheim. Wir suchen uns aktuelle Themen aus und gestalten Gottesdienste mit modernen Liedern passend zum Thema.

Eigentlich hatte ich gar keine Ahnung von Gottesdiensten. Ja, so ab und zu bin ich mal in die Kirche gegangen. Meistens waren mir die Gottesdienste zu langweilig oder die Predigt zu lang.

Und dann kam die Zeit, da wollte ich mehr wissen. Eine Freundin war Prädikantin. Bei ihr war der Gottesdienst immer spannend. Auch unsere letzte Pfarrerin brachte den Schwung in die Kirche, den ich so lange vermisst hatte. Nun ist sie weg. Und wir werden in unseren 3 kleine Gemeinden keinen neuen Pfarrer mehr bekommen. Sparmaßnahme. Also – Selbermachen!

Noch eine Ausbildung? Neben Hauptberuf, Yoga-Schule und Praxis war das nicht möglich. Jetzt gehe ich nicht mehr arbeiten in meinem Hauptberuf und dann kam Corona.

Für unsere alternativen Gottesdienste haben wir uns was einfallen lassen. Wir haben im Kirchgarten gefeiert oder YouTube Videos gedreht.

Der Wunsch mehr zu wissen wurde immer stärker. Prädikantenausbildung. Ich habe mich angemeldet und wir haben uns das erste Mal in Nackenheim (meine Gottesdienstwurzeln) in einem Zelt getroffen. Es war fürchterlich kalt. Von den 30 Angemeldeten sind 10 übrig geworden. Durch Corona ist der Unterricht lange ausgefallen. So richtig angefangen haben wir erst im letzten Jahr – drinnen. Wir treffen uns 1-2x pro Monat für 2 Stunden. „Unterricht“ ist nicht das richtige Wort, denn es ist kein Lernen mit dem Kopf. Wir erleben Gottesdienst.  Spannend und sehr kurzweilig erfahren wir gemeinsam, was Liturgie bedeutet, wie ein Gottesdienst aufgeteilt ist. Beim Wochenende über Präsenz im Gottesdienst lernten wir segnen und was eine Lesung ausmacht. Beim letzten Treffen haben wir gefühlt das Gesangbuch durchgesungen. Carsten Lenz hat uns eine Übersicht der Gesangbuchlieder erstellt, die man mit der Gemeinde gut singen kann. Tat das gut, mal wieder so richtig zu singen. Wir wurden mit jedem Lied lauter. Mir war es gar nicht bewusst wie viele Lieder ich kannte und mitsingen konnte. Wunderschön!

Die Zeit verfliegt im Nu. Und es macht riesig Spaß.

Theoretisch ist die Ausbildung in 2 und mehr Abschnitte eingeteilt. Früher war es eine Prädikanten-Ausbildung. Heute durchlaufen wir erst die Ausbildung zum Lektor oder Lektorin. Wir dürfen dann schon Gottesdienste leiten, aber nur nach den Vorgaben der EKHN. Danach kommt der 2. Teil, die eigentlich Prädikanten-Ausbildung. Die Berechtigung Hochzeiten oder Beerdigung durchzuführen bedarf dann noch mal separate Fortbildungen.

Praktisch wird die Ausbildung von einem Mentor oder einer Mentorin begleitet. Ich habe die ganz große Ehre von Pfarrerin Hassinger zu lernen. Ich darf Gebete und Fürbitten passend zum jeweiligen Gottesdienst schreiben, den Psalm mitlesen und auch bald mit Unterstützung des Kirchenvorstandes einen ganzen Gottesdienst gestalten. Es macht mir sehr viel Spaß und ich bin sehr herzlich in der Gemeinde Gau-Algesheim und Ockenheim aufgenommen worden.

Karin Bitz, Nieder-Hilbersheim