Die Prädikantenausbildung oder „wie lerne ich Gottesdienst?“

Mein Name ist Karin Bitz und ich gestalte gerne alternative Gottesdienste. Das mache ich schon ganz lange. Angefangen hat es direkt nach der Konfirmation. Wir haben uns im Jugendraum in Nackenheim getroffen und mit dem Jugendpfleger allerhand Blödsinn angestellt. Dann kam die Idee einen eigenen Gottesdienst zu gestalten. Also nahm ich meine Gitarre, setzte mich auf die Stufen vor dem Altar und wir haben neue Kirchenlieder gesungen.

Heute leite ich den Liturgiekreis der 3 Welzbachtal-Gemeinden Appenheim, Nieder- und Ober-Hilbersheim. Wir suchen uns aktuelle Themen aus und gestalten Gottesdienste mit modernen Liedern passend zum Thema.

Eigentlich hatte ich gar keine Ahnung von Gottesdiensten. Ja, so ab und zu bin ich mal in die Kirche gegangen. Meistens waren mir die Gottesdienste zu langweilig oder die Predigt zu lang.

Und dann kam die Zeit, da wollte ich mehr wissen. Eine Freundin war Prädikantin. Bei ihr war der Gottesdienst immer spannend. Auch unsere letzte Pfarrerin brachte den Schwung in die Kirche, den ich so lange vermisst hatte. Nun ist sie weg. Und wir werden in unseren 3 kleine Gemeinden keinen neuen Pfarrer mehr bekommen. Sparmaßnahme. Also – Selbermachen!

Noch eine Ausbildung? Neben Hauptberuf, Yoga-Schule und Praxis war das nicht möglich. Jetzt gehe ich nicht mehr arbeiten in meinem Hauptberuf und dann kam Corona.

Für unsere alternativen Gottesdienste haben wir uns was einfallen lassen. Wir haben im Kirchgarten gefeiert oder YouTube Videos gedreht.

Der Wunsch mehr zu wissen wurde immer stärker. Prädikantenausbildung. Ich habe mich angemeldet und wir haben uns das erste Mal in Nackenheim (meine Gottesdienstwurzeln) in einem Zelt getroffen. Es war fürchterlich kalt. Von den 30 Angemeldeten sind 10 übrig geworden. Durch Corona ist der Unterricht lange ausgefallen. So richtig angefangen haben wir erst im letzten Jahr – drinnen. Wir treffen uns 1-2x pro Monat für 2 Stunden. „Unterricht“ ist nicht das richtige Wort, denn es ist kein Lernen mit dem Kopf. Wir erleben Gottesdienst.  Spannend und sehr kurzweilig erfahren wir gemeinsam, was Liturgie bedeutet, wie ein Gottesdienst aufgeteilt ist. Beim Wochenende über Präsenz im Gottesdienst lernten wir segnen und was eine Lesung ausmacht. Beim letzten Treffen haben wir gefühlt das Gesangbuch durchgesungen. Carsten Lenz hat uns eine Übersicht der Gesangbuchlieder erstellt, die man mit der Gemeinde gut singen kann. Tat das gut, mal wieder so richtig zu singen. Wir wurden mit jedem Lied lauter. Mir war es gar nicht bewusst wie viele Lieder ich kannte und mitsingen konnte. Wunderschön!

Die Zeit verfliegt im Nu. Und es macht riesig Spaß.

Theoretisch ist die Ausbildung in 2 und mehr Abschnitte eingeteilt. Früher war es eine Prädikanten-Ausbildung. Heute durchlaufen wir erst die Ausbildung zum Lektor oder Lektorin. Wir dürfen dann schon Gottesdienste leiten, aber nur nach den Vorgaben der EKHN. Danach kommt der 2. Teil, die eigentlich Prädikanten-Ausbildung. Die Berechtigung Hochzeiten oder Beerdigung durchzuführen bedarf dann noch mal separate Fortbildungen.

Praktisch wird die Ausbildung von einem Mentor oder einer Mentorin begleitet. Ich habe die ganz große Ehre von Pfarrerin Hassinger zu lernen. Ich darf Gebete und Fürbitten passend zum jeweiligen Gottesdienst schreiben, den Psalm mitlesen und auch bald mit Unterstützung des Kirchenvorstandes einen ganzen Gottesdienst gestalten. Es macht mir sehr viel Spaß und ich bin sehr herzlich in der Gemeinde Gau-Algesheim und Ockenheim aufgenommen worden.

Karin Bitz, Nieder-Hilbersheim